Nachrangdarlehen: Was ist das und wie funktionieren sie?
Die Bezeichnung Nachrangdarlehen tragen Kredite, die im Falle einer Insolvenz des Kreditnehmers nach anderen Gläubigern bedient werden. Im englischen Sprachraum kommen dafür die Bezeichnungen „junior debt“ und „junior loan“ zum Einsatz. Die nachrangigen Darlehen weisen durch die Rangfolge der Bedienung der Forderungen für die Kreditgeber ein überdurchschnittlich hohes Verlustrisiko auf. Das wirkt sich in den meisten Fällen auf die Zinsen aus, welche die Geldgeber für solche Kredite ansetzen. Nachrangdarlehen kommen sowohl in der Wirtschaft als auch im privaten Bereich vor.
Auf welchem Rang landen diese Darlehen im Insolvenzfall?
Hier kommt es darauf an, wie die Nachrangigkeit konkret entstanden ist. Bei Nachrangdarlehen im Immobilienbereich leitet sich die Einordnung der Schuldenbedienung im Insolvenzfall von der im Grundbuch eingetragenen Rangfolge ab. In allen anderen Fällen bezahlen die Schuldner zuerst die vorrangigen Bankkredite und die Rechnungen der Lieferanten und Versorger. Anschließend gehen die verbliebenen Einnahmen an die Gläubiger der Nachrangdarlehen. Erst zum Schluss erhalten beispielsweise die Gläubiger von Gesellschafterdarlehen Zahlungen. Was dann noch übrig bleibt, kann als Eigenkapital eines Unternehmens verwertet werden. Außerhalb der Grundbuchregelungen sind in der Praxis sogenannte Rangrücktrittsvereinbarungen üblich, welche die beschriebene Rangordnung für den jeweiligen Einzelfall regeln.
Wie entstehen Nachrangdarlehen über Grundbucheintragungen?
Das Grundbuch ist in Deutschland in mehrere Abteilungen gegliedert. Die erste Abteilung enthält die Angaben zu den Eigentumsrechten. Die zweite Abteilung gibt Auskunft über die Lasten und Beschränkungen einer Immobilie. In der dritten Abteilung finden sich Hypotheken, Grundschulden und Grundpfandrechte. Hypotheken sind im Gegensatz zu den Grundschulden immer an eine konkrete Forderung gebunden. Die Rangfolge leitet sich hier von der Reihenfolge der Eintragung ab. Das heißt, die zuerst eingetragene Hypothek bekommt den ersten Rang. Die zweite Hypothek erhält den zweiten Rang. In dieser Reihenfolge werden die aus einem Hypothekendarlehen entstehenden Forderungen auch bedient. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass alle nach der ersten Hypothek zusätzlich eingetragenen Hypotheken automatisch den Status eines Nachrangdarlehens bekommen.
Wie lassen sich die Nachteile im Grundbuch vermeiden?
Grundstückeigentümer haben aber auch die Möglichkeit, eine sogenannte Eigentümergrundschuld eintragen zu lassen, um die Rangfolge zu verändern. Das ist dadurch möglich, dass die Eintragung einer Grundschuld nicht an eine konkrete Forderung gebunden ist. Auch die Eigentümergrundschuld führt dazu, dass alle später für Kredite eingetragenen Hypotheken und Grundpfandrechte automatisch als Nachrangdarlehen eingestuft werden. Viele Grundstückseigentümer nutzen deshalb die Eigentümergrundschuld als „Platzhalter“ aus, wenn sie den Hauptkredit nicht vor den Zusatzkrediten eintragen lassen können. Das führt dazu, dass die höheren Zinsen für die Nachrangdarlehen nur für die kleineren Kredite anfallen. Die Eigentümergrundschuld lässt sich später problemlos in eine Grundschuld oder Hypothek zu Gunsten einer Bank oder eines anderen Investors umwandeln. Die Erstrangigkeit in der Abteilung III des Grundbuchs belohnen viele Banken durch eine höhere Sicherheit ihrer Forderungen mit niedrigeren Zinsen. Die aus den Grundbucheintragungen abgeleitete Rangfolge bei der Bedienung der Kreditforderungen nennen Fachleute Lokusprinzip und Tempusprinzip.
Wo spielt die Eintragungsreihenfolge bei Nachrangdarlehen noch eine Rolle?
Schiffe haben bei der rechtlichen Behandlung in Deutschland (genauso in der Schweiz) einen Sonderstatus. Obwohl sie theoretisch mobil sind, werden sie als unbewegliche Sachen behandelt. Das Pendant zum Grundbuch bei Gebäuden und Grundstücken ist bei Schiffen das im 19. Jahrhundert in Großbritannien erfundene Schiffsregister. Die Einführung des Schiffsregisters in Deutschland ist einer Initiative des Norddeutschen Bunds zu verdanken. Als gesetzliche Grundlage dient die Schiffsregisterordnung. Das Register weist einen ähnlichen Aufbau wie das Grundbuch auf und enthält auch die Eintragungen zu den sogenannten Schiffshypotheken. Schon der Begriff gibt Auskunft, dass hierfür nur Eintragungen infrage kommen, die mit einer konkreten Forderung gekoppelt sind. Das Lokusprinzip und Tempusprinzip werden auch auf das Schiffsregister angewendet. Das heißt, die Reihenfolge der Eintragungen bestimmt, welche Kredite vorrangig oder als Nachrangdarlehen zu behandeln sind.
Welche Rolle spielen nachrangige Darlehen in der Wirtschaft?
In der Mehrheit der Fälle nutzen Unternehmen die Nachrangdarlehen zur Erhöhung des Eigenkapitals. Das macht die Tatsache möglich, dass sie zum sogenannten Mezzanine-Kapital gehören. Mezzanine-Kapital ordnet sich rechtlich als Mischung aus Fremdkapital und Eigenkapital ein. Der Fremdkapitalanteil überwiegt bei klassischen Bankdarlehen. Stammen die Geldzuflüsse dagegen aus der Ausreichung von Genussscheinen und stillen Beteiligungen, bewerten es die Banken überwiegend als Eigenkapital. In diesem Fall führen die nachrangigen Darlehen dazu, dass sich die allgemeine Kreditwürdigkeit verbessert. Der Vorteil sind niedrigere Zinsen für die ergänzend benötigten Gewerbekredite. Die häufigsten Finanzierer von Mezzanine-Kapital sind Private Equity-Gesellschaften (private Investmentgesellschaften) sowie die sogenannten Business Angels.
Förderkredite sind in der Mehrheit der Fälle Nachrangdarlehen
In Deutschland gibt es Förderungen für sehr unterschiedliche Zwecke. Aktuell spielen vor allem die Förderungen des sozialen Wohnungsbaus sowie zur Umstellung auf erneuerbare Energien eine wichtige Rolle. Die Förderung der energetischen Sanierung erfolgt als Kombination aus Zuschüssen und zinsverbilligten Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Eine Besonderheit der Förderkredite der KfW ist, dass die Rangordnung der Besicherung bei der Bemessung der Zinsen nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Oftmals wird nicht einmal die Eintragung einer Hypothek ins Grundbuch gefordert. Das führt dazu, dass die Förderkredite mehrheitlich in die Kategorie Nachrangdarlehen fallen. Die Konsequenz ist, dass die Förderbanken bei Insolvenzen häufig auf Teilen oder der vollständigen Summe ihrer Forderungen sitzen bleiben. Solche Ausfälle planen sie bei der Ausschöpfung der Fördertöpfe in der Regel ein.
Wie ist die allgemeine Situation in der Praxis?
An einigen Stellen entstehen Besonderheiten im Zusammenhang mit den Nachrangdarlehen. Die daraus resultierenden Forderungen können durchaus auch vor anderen Gläubigern befriedigt werden. Ein praktisches Beispiel ist die Zwangsversteigerung eines Eigenheims im Zuge einer Privatinsolvenz. Der Eigentümer hat Schulden aus zwei mit per Hypothek im Grundbuch gesicherten Baufinanzierungen und hat zusätzlich seine komplette Einrichtung auf Kredit (Darlehen vom Lieferanten/Händler oder über einen unbesicherten Konsumkredit) gekauft. Bei allem Darlehen bestehen offene Forderungen. In dieser Situation werden die Lieferantenkredite oder Konsumkredite zu Nachrangdarlehen, weil ihnen eine Besicherung fehlt.
Das heißt, der Erlös aus der Zwangsversteigerung fließt zuerst in die erstrangig eingetragene Hypothek. Danach ist das zweite Baudarlehen an der Reihe. Bleibt dann noch Geld übrig, dürfen die Lieferanten, Händler und die Banken auf Zahlungen hoffen, die den Konsumkredit ausgereicht haben. Die Grundbuchbesicherung der Baukredite macht aus den Lieferantenkrediten und dem Konsumkredit automatisch nachrangige Darlehen. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass das zweite Baudarlehen durch die Grundbuchbesicherung bei einer Zwangsversteigerung gegenüber allen anderen Gläubigern vom Nachrangdarlehen zu einem vorrangigen Darlehen aufrückt.
Welche Vorteile gibt es für den Mittelstand?
Gerade in den mittelständischen Unternehmen ist das Eigenkapital oft knapp bemessen. Auf der anderen Seite haben die Banken Lehren aus den Ursachen der globalen Finanzkrise ab dem Jahr 2007 gezogen.
Sie haben die Ansprüche an die von Unternehmen zu bietenden Sicherheiten drastisch erhöht. Neue EU-Kreditvorschriften sorgen für eine weitere Verschärfung der Lage.
Die Konsequenz ist, dass die Zahl der von den Banken als nicht kreditwürdigen Unternehmen vor allem im Mittelstand steigt. Viele Unternehmen sind dadurch gezwungen, ihr Eigenkapital vor einem Kreditantrag durch nachrangige Darlehen in Form von Mezzanine-Kapital zu erhöhen. Dabei erfreuen sich Gesellschafterdarlehen, stille Beteiligungen und Mitarbeiterdarlehen großer Beliebtheit. Dadurch bewirken sie eine Reduzierung des Ausfallrisikos auf Seiten der Kreditbanken. Sie sind eher bereit, Gewerbekredite zu geben. Außerdem sinkt die Zinslast bei den Gewerbekrediten.
Crowd-Investing oder gebündeltes Nachrangdarlehen: Was ist besser?
Vor allem Start-ups ziehen aus dem Crowd-Investing Vorteile. Der entscheidende Pluspunkt ist, dass das Ausfallrisiko im Gegensatz zum Nachrangdarlehen von der Bank auf die Schultern vieler Investoren verteilt wird. Doch die Kleininvestoren sollten sich ihres Risikos bewusst sein. Beim Crowd-Investing besteht immer auch die Gefahr eines Totalausfalls der Investition. Die Sammlung der Investitionen erfolgt in der Regel über sogenannte Crowd-Funding-Plattformen. Als Gegenleistung kommen verschiedene Vorgehensweisen in Frage. Eine Möglichkeit ist die Vorfinanzierung durch die Käufer eines neu entwickelten Produkts. Aber auch Gewinnbeteiligungen, Genussrechte oder stille Beteiligungen sind als Alternativen üblich. Für das Crowd-Investing wurde im Jahr 2015 mit dem Kleinanlegerschutzgesetz eine verbindliche Rechtsgrundlage geschaffen.
Allerdings hat die Sammlung von Investorengelder über spezialisierte Plattformen im Internet einen entscheidenden Nachteil. Die Investoren lassen sich nur dann gewinnen, wenn sie umfassende Informationen zu den neuen Unternehmen und Produkten erhalten. Das könnte die Konkurrenz auf den Plan rufen. Vor allem Großunternehmen haben die Reserven, um ein dort entdecktes Produkt abzuwandeln und deutlich schneller als die eigentlichen Entwickler auf den Markt zu bringen. Allein schon deshalb ist beim Crowd-Funding Vorsicht geboten. Ansonsten ist es für Start-ups eine gute Alternative zu den klassischen Gewerbekrediten und Nachrangdarlehen. Die Bereitschaft der Geldanleger zu solchen Investitionen steigt vor allem in Zeiten, in denen die Zinsen für klassische Sparanlageformen niedrig sind.
Lassen sich verschiedene Finanzierungsformen miteinander kombinieren?
Ja, das ist durchaus möglich. Ein Beispiel sind die nachrangigen Darlehen der Förderbanken. Sie schließen weder die Kombination mit erstrangigen Darlehen noch mit Nachrangdarlehen anderer Banken aus. Einige Banken fordern bei Gewerbekrediten sogar, dass die Palette der Fördermittel und Förderkredite parallel ausgeschöpft wird, bevor sie den Kreditantrag genehmigen. Die Einbeziehung der Fördermittel erhöht das Unternehmenskapital und damit die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Kreditsumme zurückbekommen. Auch das Crowd-Investing lässt sich mit einem klassischen Erstrangdarlehen oder einer Finanzierung über ein Erstrangdarlehen und ein Nachrangdarlehen kombinieren. Diese Mischfinanzierung ist vor allem in der Immobilienbranche üblich. Dabei sind die Crowd-Investoren in der Regel die künftigen Wohnungskäufer. Das heißt, das Crowd-Investing fällt auch in die Kategorie der Vorfinanzierung von Käufen.
Nachrangdarlehen von Business-Angels sind immer eine gute Sache
Bei der Gewährung von nachrangigen Darlehen nehmen die sogenannten Business-Angels eine Sonderstellung ein. Dabei handelt es sich um Einzelinvestoren, die selbst Unternehmer sind. Für Existenzgründer haben sie eine besondere Bedeutung, denn sie stellen neben dem Kapital auch ihr Wissen, ihre Erfahrungen und andere Potenziale zur Verfügung. In diesem Bereich sind sowohl aktive und stille Beteiligungen als auch die reine Gewährung von Nachrangdarlehen üblich. Das heißt, die Business Angels unterzeichnen eine Rangrücktrittserklärung. Sie bewirkt, dass im Falle eines Scheiterns des Start-ups die Forderungen der Banken aus einem Gewerbekredit vor ihren eigenen Forderungen bedient werden.
Um das unmittelbare Verlustrisiko zu reduzieren, fordern die Business Angels bei der Wahl einer Beteiligung in der Regel eine sogenannte Speerminorität. Sie liegt bei 25,1 Prozent der Geschäftsanteile. Damit sichern sie sich das Recht, die Entscheidungen des Mehrheitseigentümers mit ihrem Veto blockieren zu können. Das heißt, im Gegensatz zum Nachrangdarlehen von der Bank müssen ihnen die Start-ups ein umfassendes Mitspracherecht bei unternehmerischen Entscheidungen einräumen. Ob das ein Vorteil oder ein Nachteil ist, hängt stets von den Fakten des jeweiligen Einzelfalls ab.
Fazit: Lohnt sich die Finanzierung über solche Darlehen?
Die Antwort auf diese Frage liefert ein Blick in die Zukunft. Die Europäische Union verschärft die Anforderungen an die Vergabe von Unternehmenskrediten immer mehr. Das wird vor allem für die Unternehmen des Mittelstands zunehmend zu einem Problem, weil damit auch die Ansprüche an die Eigenkapitalquote bei Investitionen steigen. Für viele Unternehmen führt dadurch kein Weg mehr an der Erhöhung des Eigenkapitals vor einem Antrag auf einen klassischen Gewerbekredit von der Bank vorbei. Die Konsequenz ist, dass die Inanspruchnahme von Nachrangdarlehen immer mehr zu einer unumgänglichen Notwendigkeit wird.
Viele Mittelstandsfirmen entscheiden sich für Gesellschafterdarlehen und Mitarbeiterbeteiligungen, anstatt sich an eine Bank zu wenden. Das hat gute Gründe, die nicht nur aus den Trends auf dem Finanzmarkt resultieren. Nachrangdarlehen von potenziellen Nachfolgern der Firmenchefs sind eine gute Chance, den Fortbestand des Unternehmens nach dem Ausscheiden des aktuellen Chefs zu sichern. Dabei kann die Summe des nachrangigen Darlehens später mit dem Kaufpreis der Firma verrechnet werden, falls sie bis dahin nicht vollständig zurückgezahlt wurde. Mitarbeiterdarlehen und Finanzierungen über Mitarbeiterbeteiligungen als Alternative zum nachrangigen Kredit von der Bank haben andere Vorteile. Sie stärken die Motivation zu guten Arbeitsergebnissen und helfen bei der Bindung unverzichtbarer Fachkräfte ans Unternehmen.
Kurz gesagt: Ob Nachrangdarlehen interessant sind oder nicht, hängt bei der Unternehmensfinanzierung immer von den konkreten Umständen ab. Bei der privaten und gewerblichen Immobilienfinanzierung haben Nachrangdarlehen schon eine lange Tradition und daran wird sich in naher Zukunft nichts ändern. Das gilt sowohl für die Bankkredite als auch die gewerbliche Immobilienfinanzierung über die Gelder von Private Equity-Gesellschaften.
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