Basel IV startet 2025: Was KMU wissen sollten
Basel IV ist ein Reformpaket von Basel III, einem Rahmenwerk des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS), das zur Stabilität des Finanzsystems in Europa nach der Finanzkrise 2007/2008 beitragen sollte. Basel IV (offizielle Bezeichnung: Basel III: Finalising post-crisis reforms) enthält überarbeitete Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für Banken und sollte ursprünglich bereits 2022 in Kraft treten. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Anwendung der Kapitalvorschriften bis 01.01.2025 verlängert und soll bis 31.12.2030 vollständig umgesetzt werden. Die neuen Kapitalvorschriften könnten zur Folge haben, dass es vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) schwieriger werden wird, Kredite zu attraktiven Konditionen zu erhalten
Auswirkungen von Basel IV auf den europäischen Mittelstand
Basel IV wurde bereits im Dezember 2017 durch die Mitglieder des Leitungsgremiums des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht beschlossen. Es handelt sich um eine Überarbeitung der Bestimmungen für Basel III. Die Veränderungen sind teilweise recht umfangreich. Das Reformpaket beinhaltet Veränderungen bei der Messung des Kreditrisikos, um die Risikosensitivität und Robustheit von kreditgebenden Banken zu verbessern.
Die wichtigste Änderung durch Basel IV: Der Einzug einer sogenannten Untergrenze (“Output-Floor”) für die bankeninterne Risikogewichtung. Was heißt das konkret? Banken müssen mit Blick auf ihre Bilanz eine bestimmte Höhe an Eigenkapital vorweisen, um beispielsweise gegen Ausfälle von ausgegebenen Unternehmenskrediten gewappnet zu sein. Diese Kredite fließen jedoch nicht in voller Höhe in die Bilanz ein, sondern mit einer Risikogewichtung. Das bedeutet zum Beispiel, dass Kredite etablierter KMU mit gutem Bonitätsrating weniger stark in der Bankenbilanz berücksichtigt werden als beispielsweise Start-ups oder Unternehmen ohne Rating. Für die Gewichtung des Risikos gibt es zwei Berechnungsoptionen: der sogenannte Standardansatz (KSA) oder die interne Berechnung der Banken (IRB).
Die Unterschiede bei der RWA-Berechnung
Internes Modell (IRB) | Standardansatz (KSA) |
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Banken, die bislang das IRB-Modell angewendet haben, müssen nun für den Output Floor parallel – und damit zusätzlich – den Standardansatz berechnen”: Die aggregierte Summe der sogenannten RWA (“Risk Weighted Assets / risikogewichtete Aktiva) einer Bank darf nicht weniger als 72,5 Prozent der RWA betragen, die unter Verwendung von Basel III berechnet (“Standardansatz”) wurden. Ab dem 1. Januar 2025 wird der Output Floor von 50 Prozent eingeführt. Er steigt dann über einen Zeitraum von fünf Jahren sukzessive an. Ab dem 1. Januar 2030 wird er schließlich seine volle Höhe von 72,5 Prozent erreichen. Das Risikogewicht eines Kredits darf dies standardisierte Untergrenze dann nicht mehr unterschreiten. Dies kann zu einer höheren Eigenkapitalunterlegung führen – aus folgendem Grund: Die Bonität des Unternehmenskunden fließt nur dann ein, wenn ein externes Rating vorliegt. Der Anteil der Unternehmen mit externem Rating in Europa liegt allerdings unter einem Prozent. Dies hat eine Risikoberechnung ohne Einbezug der Bonität zur Folge. Damit können trotz ausreichender Liquidität beim Unternehmen hohe Kapitalanforderungen das Resultat sein.
Trotz KMU-Faktor: Zugang zu Krediten könnte erschwert werden
Diese strengeren Regelungen für die Banken der EU wirken sich auf den europäischen Mittelstand aus. Der Zugang zu Bankkrediten könnte für mittelständische Unternehmen erschwert werden beziehungsweise die Finanzierungskosten ansteigen lassen. Denn vor allem größere Institute nutzen häufig die IRB-Methode und die Aufseher verfolgen bei diesen Banken das Ziel, die Variabilität der RWA zu verringern. Die Einführung des Output-Floors führt demnach bei vielen europäischen Banken zu einer erheblichen Erhöhung der RWA.
Aber auch bei kleineren Geldhäusern – häufig Kreditpartner für KMU – könnten die Kredite künftig teurer werden. Auch wenn – so wie es derzeit aussieht – der KMU-Unterstützungsfaktor erhalten bleibt. Dieser Faktor sorgt dafür, dass das eigentlich anzusetzende Risikogewicht um 15 bis 21 Prozent abgesenkt werden kann, falls die konsolidierten Jahresumsätze nicht größer als 50 Mio. Euro sind (Definition von KMU laut EU-Empfehlung 2003/361). In den vergangenen Jahren hatte sich der KMU-Unterstützungsfaktor bewährt, da KMU aufgrund der geringeren Eigenkapitalvoraussetzungen schneller an Kredite kamen.
Der KMU-Faktor senkt die Eigenkapital-Voraussetzungen für Banken
Für kleinere und mittlere Unternehmen haben Bankdarlehen eine große Bedeutung zur Sicherung der Liquidität sowie als Finanzierungsquelle. Ursprünglich wurde der KMU-Unterstützungsfaktor eingeführt, um mögliche negative Auswirkungen von Basel III auf die mittelständischen Unternehmen abzuschwächen. Der KMU-Unterstützungsfaktor reduziert die Eigenkapitalanforderungen von Banken für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von 100 auf 76,19 Prozent. Die Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko von KMU werden also mit dem Faktor 0,7619 multipliziert. Damit soll der Mittelstand einen einfacheren Zugang zu Krediten erhalten. Im Zuge der Eigenkapitalverordnung “CRR II” wurde 2020 der Anwendungsbereich des KMU-Untersitzungsfaktors auf Kredite bis 2,5 Mio. Euro ausgeweitet (davor 1,5 Mio. Euro).
Regulierung der Kreditinstitute: Eigenkapitalbasis der Banken wird verschärft
Die Anforderungen an die Eigenkapitalbasis der Banken wird also mit Basel IV verschärft. Mit der erhöhten Kapitalausstattung von Banken soll neuen Finanzkrisen vorgebeugt werden. Ein Steuerungsinstrument liegt den Initiatoren von Basel III und Basel IV zufolge darin, übermäßige Schwankungen der RWA zu vermeiden. Die Transparenz und die Vergleichbarkeit der risikobasierten Kapitalquoten sollen durch Basel IV verbessert werden. Doch die zunehmende Regulierung bedeutet für die europäischen und insbesondere für die rund 1.300 deutschen Institute eine empfindliche Mehrbelastung. Risikoarme Geschäfte, wie beispielsweise die Finanzierungen von KMUs oder die Projektfinanzierung können dabei besonders betroffen sein.
KMU stehen vor vielen Herausforderungen – Kredite könnten durch Basel IV teurer werden
Durch den zusätzlichen Bedarf an Eigenkapital müssen die Banken die Preisbildung ihrer Angebote sowie ihrer Kreditprodukte verändern und damit in den meisten Fällen erhöhen. Dies schlägt sich in den Konditionen für die Unternehmenskunden bei Banken nieder. Denn für alle Banken, ob groß oder klein, gilt: Sollten die Geldhäuser den aus den gestiegenen Risikogewichten entstehenden Kapitalbedarf eins zu eins an ihre Unternehmenskunden weitergeben, ist mit steigenden Kreditzinsen zu rechnen. Zumal sich der Wind auch geldpolitisch gedreht hat: Mit der Anhebung des Leitzinses auf 0,5 Prozent hat die EZB im Juli 2022 erstmals seit 2011 an der Zinsschraube nach oben gedreht.
Neben den regulatorischen und geldpolitischen Rahmenbedingungen stehen Unternehmer:innen auch vor wirtschaftlichen Unsicherheiten: Der Krieg in der Ukraine, die enormen Preissteigerungen bei Energie und Vorprodukten sowie die nach wie vor bestehenden Lieferkettenprobleme lassen eine Rezession im Euroraum wahrscheinlicher werden. Ein erhöhter Kapital- beziehungsweise Liquiditätsbedarf könnte die Folge sein. Vor dem Hintergrund der sich möglicherweise durch Basel IV verschlechternden Konditionen für Kredite sollten Unternehmer:innen daher Alternativen bei der Finanzierung ins Auge fassen.
Ein smarter Weg: Die Eigenkapitalquote mit Mezzanine erhöhen
Unternehmer:innen können Kreditkonditionen verbessern, indem sie ihre Eigenkapitalquote erhöhen. Die Erhöhung kann beispielsweise durch eine Mezzanine-Finanzierung erfolgen, einer Mischform aus Eigen- und Fremdkapital. Bei dieser hybriden Finanzierungsform wird dem Unternehmen durch die Kapitalgeber Fremdkapital mit Eigenkapitalcharakter zugeführt. Mezzanine-Kapital kann durch Mezzanine-Fonds oder Banken bereitgestellt werden.
Die Kapitalgeber refinanzieren sich dabei durch Fremdkapital beziehungsweise die Weitergabe von Darlehen durch Verbriefungen. Von den Kapitalgebern wird das Mezzanine-Kapital meistens zum wirtschaftlichen Eigenkapital gerechnet.
Alternativen zum Bankkredit: Factoring und Einkaufsfinanzierung
Angesichts des nach der Erhöhung im Juli 2022 immer noch historisch niedrigen Leitzinses der EZB, können Unternehmer:innen den Fokus auf langfristige, eventuell flexible Investitionskredite legen. Mit einem langlaufenden Investitionskredit lassen sich, da Basel IV noch nicht greift, die immer noch sehr günstigen Zinsen sichern. Eine weitere Möglichkeit ist es, einen Blick auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten werfen: Zum Beispiel Liquidität durch Abtretung der Forderungen aus Lieferungen & Leistungen – also über Factoring – zu generieren beziehungsweise sich so auch gegen Zahlungsausfälle der Debitoren zu schützen.
Eine weitere Möglichkeit ist es – speziell bei Handelsunternehmen und produzierendem Gewerbe – sich über eine Einkaufsfinanzierung die Ware vorfinanzieren zu lassen und damit ein volles Lager für mehr Produktionssicherheit zu haben. Eine weitere Option ist die Nutzung von Kredit- oder Bürgschaftsprogrammen des Bundes zur Erhöhung der Haftungsfreistellung für Banken. Hier sind in erster Linie die KfW-Darlehen zu nennen.
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