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Berliner Mittelstand nutzt überwiegend Eigenfinanzierung

Die Kleinunternehmer und Mittelständler aus Berlin sind mit einem Anteil der Eigenfinanzierung von 62 % bundesweit die Spitzenreiter. Das geht aus dem Mittelstandsatlas der Kreditbank für Wiederaufbau (kurz KfW) hervor. Doch auch in den anderen Bundesländern ist die Bezahlung von Investitionen mit eigenen Mitteln auf dem Vormarsch. Der Anteil der Eigenfinanzierung übertrifft stellenweise sogar die zusammengerechneten Anteile aus Fördermitteln und Bankkrediten. Das hat gute Gründe, bei denen die neue EU-Bankenregulierung eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Wie sehen die Zahlen bei der Eigenfinanzierung in den einzelnen Bundesländern aus?

Berlin ist nicht das einzige Bundesland mit einer derart hohen Eigenfinanzierungsquote. Auch der Mittelstand in Hamburg greift bei Investitionen zu 61 % auf Eigenkapital zurück. Auf dem dritten Platz landet Brandenburg mit einer Eigenfinanzierungsquote von 60 %. Den vierten Platz belegt Baden-Württemberg mit 58 %. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein teilen sich den fünften Rang mit einer Quote der Eigenfinanzierung von 56 %. Sie liegen damit weit über dem bundesweiten Durchschnitt, den der Mittelstandsatlas der KfW mit 53 angibt. Fünf Bundesländer platzieren sich unter dem Meridianwert. Dabei handelt es sich um Nordrhein-Westfalen (52 %), Thüringen (48 %) Sachsen und Sachsen-Anhalt mit je 46 % und Mecklenburg-Vorpommern (44 %).

Fördermittel nehmen bei der Investitionsfinanzierung nur eine Nebenrolle ein

Die Palette der Fördermittel für Unternehmen ist in jüngster Zeit vor allem mit Blick auf die energetische Sanierung von Gebäuden und die Nutzung erneuerbarer Energien erheblich gewachsen. Deshalb mutet es etwas befremdlich an, dass Fördermittel bei Investitionen des Mittelstands nur eine kleine Rolle spielen. Die Fördermittelquote ist nach den Resultaten der KfW-Befragungen mit 13 % in Bayern am höchsten. Auf dem zweiten Rang der höchsten Fördermittelanteile landet Sachsen mit 12 %. Den dritten Platz teilen sich Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen mit 11 %. Das Schlusslicht bei der Nutzung von Fördermitteln als Ergänzung der Eigenfinanzierung und der Bankkredite sind mit gerade einmal 5 % die Mittelstandsunternehmen in Berlin.Der bundesweite Durchschnitt beim Fördermittelanteil an der Investitionsfinanzierung liegt bei 10 %!

Eigenfinanzierung überwiegt den Anteil der Bankkredite deutlich

Beim Anteil der Bankkredite an den Aufwendungen für Investitionen gibt es ebenfalls signifikante regionale Unterschiede. Angesichts der bisher genannten Zahlen liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Mittelstandsunternehmen aus Berlin die geringste Kreditquote haben müssten. Doch das ist falsch, denn der Kreditanteil bei Investitionen liegt mit 19 % in Hamburg am niedrigsten. Dafür gibt es einen guten Grund. Unternehmen in Hamburg nutzen für 12 % ihrer Investitionen andere Finanzierungsformen. Mit 40 % weisen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern die höchsten Anteile von Bankdarlehen als Quelle für Investitionsgelder auf. Das muss auch nicht wundern, weil sie die bundesweiten Schlusslichter bei der Eigenfinanzierung sind.

Eigenkapitalquote steigt beim Mittelstand immer weiter an

Als Eigenkapitalquote wird der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital eines Unternehmens bezeichnet. Zum Eigenkapital gehören nach den Definitionen des Handelsgesetzbuchs gezeichnetes Kapital (Umfang der Haftung abhängig von der Rechtsform des Unternehmens), Sachwerte, Kapital- und Gewinnrücklagen sowie Gewinnvorträge und Jahresüberschüsse. Der Firmenwert spielt zwar für die Bilanz eine Rolle, wird aber von den Banken bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit meistens nicht berücksichtigt.

Genau an dieser Stelle zeigt sich ein Kuriosum in der von der Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Situation im Mittelstand vorgelegten Zahlen. Obwohl Unternehmen in Berlin den höchsten Anteil bei der Eigenfinanzierung haben, weisen sie zusammen mit Brandenburg mit 19 % die bundesweit niedrigste Eigenkapitalquote auf. Auch in Schleswig-Holstein ist die Eigenkapitalquote mit 23 % nicht allzu hoch. Die besten Werte bei der Eigenkapitalquote liefern Sachsen-Anhalt mit 42 % und Rheinland-Pfalz mit 40 %. Der bundesweite Mittelwert der Eigenkapitalquote bei bilanzierungspflichtigen Unternehmen liegt bei 29 %.

Warum sind die Eigenfinanzierung und die Eigenkapitalquote so wichtig?

An dieser Stelle kommt die EU-Bankenregulierung mit Basel III und Basel IV ins Spiel. Sie erhöhen die Ansprüche, die Banken in Ländern der Europäischen Union an die Kreditwürdigkeit von Unternehmen stellen müssen. Die Eigenkapitalquote liefert wichtige Anhaltspunkte zur Frage, ob die Forderungen aus einem vergebenen Darlehen bei einem Zahlungsausfall über die Vermögenswerte eines Unternehmens gedeckt werden können. Das heißt, die Eigenkapitalquote bestimmt entscheidend darüber, wie hoch die Darlehenssumme bei einem gewerblichen Kredit ausfallen kann. Die neuen EU-Regelungen zur Vergabe von Gewerbekrediten und Baufinanzierungen schränken den Zugang der mittelständischen Unternehmen zu Bankfinanzierungen erheblich ein.

Alter der Unternehmensinhaber wird bei der Finanzierung zunehmend zum Problem

Dass so viele Mittelständler zur Eigenfinanzierung greifen müssen, liegt auch in den Altersstrukturen der Unternehmensinhaber begründet. Den Banken ist durchaus bewusst, dass es immer schwieriger wird, geeignete Nachfolger für die derzeitigen Unternehmensinhaber zu finden. Deshalb tun sie sich schwer damit, älteren Unternehmenschefs Kredite für die Investitionsfinanzierung auszureichen. Das höchste Durchschnittsalter bei den Unternehmensinhabern weist aktuell Schleswig-Holstein mit 54 Jahren auf. Auf dem zweiten Platz folgt mit einem Meridianalter von 52 Jahren Baden-Württemberg. Den dritten Platz teilen sich mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Am besten schneiden beim Alter der Unternehmensinhaber Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit einem Durchschnitt von 48 Jahren ab.

Der Anteil der von älteren Menschen geführten Unternehmen ist hoch

In Baden-Württemberg (27 %) und Schleswig-Holstein (26 %) werden mehr als ein Viertel aller Unternehmen von Chefs geführt, die älter als 60 Jahre sind. Dort wittern die Banken bei Kreditanträgen besonders große Risiken, weshalb die Anträge auf Gewerbekredite häufig abgelehnt werden. Diesen Unternehmern bleibt also nur der Weg der Eigenfinanzierung oder sie müssen nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen.

Den niedrigsten Anteil von Unternehmenschefs über 60 Jahre weisen Sachsen-Anhalt (13 %) sowie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit je 14 % auf. Sie landen gleichzeitig auf den vorderen Plätzen bei Unternehmern im Alter zwischen 45 und 49 Jahren. Diese Altersgruppe gehört zu den bei den Banken bevorzugten Kundengruppen bei gewerblichen Darlehen. Sie bringen die notwendigen Erfahrungen mit und gleichzeitig ist das Risiko des Kreditausfalls durch eine vergebliche Suche nach einem geeigneten Nachfolger gering. Genau diese Faktoren tragen auch dazu bei, dass es dort eine überdurchschnittlich hohe Quote bei den Bankdarlehen zur Finanzierung von Investitionen gibt.

Zwang zur Eigenfinanzierung hat oft noch andere Ursachen

Dadurch kommt es selbst bei einer guten Bonität in einzelnen Branchen vor allem bei Neugründungen und Betriebserweiterungen oftmals zur Ablehnung von Kreditanträgen.

Ein Blick auf die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau vorgelegten Zahlen zeigt auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung deutliche regionale Unterschiede auf. Die niedrigste Ausbildungsquote bei mittelständischen Unternehmen gibt es mit 9,9 % in Sachsen. Die zwei weiteren Schlusslichter sind mit je 10,1 % Ausbildungsquote Berlin und Thüringen. Deutlich besser präsentiert sich die Lage in Westdeutschland.Der positive Spitzenreiter ist Rheinland-Pfalz. Hier bilden 18,9 % aller mittelständischen Unternehmen ihren Nachwuchs selbst aus. Niedersachen bringt es auf eine Ausbildungsquote von 16,8 % und Nordrhein-Westfalen auf 15,9 %. In Ländern mit einer niedrigen Ausbildungsquote dürfte der Anteil der Eigenfinanzierung in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Was führt aktuell noch zur Bevorzugung der Eigenfinanzierung?

Bei den Chefs vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen bestehen derzeit immense Verunsicherungen in verschiedenen Bereichen. Dazu gehört unter anderem die künftige Entwicklung der Kreditzinsen. Die meisten Banken bieten aktuell keine langen Fristen bei der Zinsbindung an. Der Grund ist die Hoffnung auf eine baldige Erhöhung der Leitzinsen der EZB. Dadurch können die Unternehmen ihre zu erwartenden Belastungen aus Zinsanteil und Tilgungsanteil nicht langfristig planen. Allein die fehlende Planbarkeit schreckt viele Unternehmenschefs von der Inanspruchnahme gewerblicher Kredite ab. Mit einem hohen Anteil der Eigenfinanzierung der Investitionen können sie das derzeit bestehende Zinsrisiko ausschalten oder zumindest erheblich reduzieren.

Hinzu kommen Marktrisiken, die beispielsweise aus dem Brexit und dem Zollstreit zwischen der EU und den USA resultieren. Niemand möchte sich mit einem Kredit belasten, wenn er nicht weiß, wie sich die Umsätze und Gewinne seines Unternehmens in den nächsten Jahren entwickeln. Von diesen Risiken sind lediglich mittelständische Firmen ausgenommen, die ausschließlich innerhalb der Europäischen Union agieren und auch keine Geschäfte mit Großbritannien machen. Das heißt, die aktuelle Verlagerung von der Fremdfinanzierung zur Eigenfinanzierung ist parallel politischen Entscheidungen geschuldet, auf die weder die Banken noch die Chefs der mittelständischen Unternehmen einen direkten Einfluss haben.

Wie lässt sich die Eigenfinanzierung am besten ohne Bankkredit ergänzen?

Dafür stehen verschiedene Szenarien zur Auswahl. Oftmals bestehen erhebliche Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Unternehmen. Sie sind eine gute Basis, um Geldmittel an den Banken vorbei zu beschaffen. Ein passendes Beispiel für diese Ergänzung der Eigenfinanzierung ist die Automobilindustrie. Die Autobauer sind von kontinuierlichen Lieferungen einzelner Baugruppen abhängig. Sie haben also ein unmittelbares Interesse an einer Erweiterung der Kapazitäten bei den Zulieferern, um selbst keine Produktionsausfälle wegen Lieferengpässen zu riskieren. Deshalb sind sie häufig auch gern bereit, ihren Zulieferern Kredite zu geben. In der Praxis besteht die Gegenleistung jedoch oftmals nicht in der Rückzahlung der Kreditsumme plus Zinsen, sondern es werden Unternehmensanteile übertragen. Diese Vorgehensweise ist bei allen Arten von Supply Chains üblich.

Die Abgabe von Unternehmensanteilen schließt viele Finanzierungslücken

Zahlreiche mittelständische Unternehmen gehen zur Ergänzung der Eigenfinanzierung einen anderen Weg. Sie beschaffen sich Barmittel für Investitionen, indem sie beispielsweise Prämien oder Teile des Lohns durch die Übertragung von Unternehmensanteilen an die zu begünstigenden Mitarbeiter ersetzen. Dabei verzichten sie oft auf die Nachschusspflicht, die mit einer solchen Übertragung verbunden ist. Diese Art der Investitionsfinanzierung ist mehrfach vorteilhaft. Sie verstärkt die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen, was sich vor allem in Zeiten knapper Fachkräfte positiv auswirkt. Hinzu kommt eine Stärkung der Motivation der Belegschaft, weil sie unmittelbare wirtschaftliche Vorteile aus den steigenden Gewinnen ihrer Arbeitgeber ziehen.

Factoring ist, als Alternative zur Eigenfinanzierung sehr beliebt

Der Begriff Factoring wird für den Verkauf von künftig fälligen Forderungen an eine Bank oder anderen Finanzdienstleister verwendet. Als Vorteil schlägt die vorzeitige Verfügbarkeit der aus den Forderungen resultierenden Gelder zu Buche. Allerdings sind die Verkäufer der Forderung beim Factoring direkt von der Bonität des Zahlungspflichtigen abhängig. Zudem ist das Factoring häufig mit dem Verlust eines Teils der Forderung verbunden. Der Grund ist, dass die Banken einen Risikoabschlag erheben, der mit dem Disagio bei einem klassischen Bankkredit vergleichbar ist. Ein weiteres Risiko besteht beim Factoring aktuell noch in der Tatsache, dass es für viele Aspekte noch keine umfassenden rechtlichen Regelungen gibt, sondern lediglich höchstrichterliche Urteile als Rechtsgrundlage nutzbar sind.

Investmentgesellschaften können Eigenfinanzierung ergänzen

Bei der Beschaffung liquider Mittel für Investitionen kooperieren mittelständische Unternehmen immer öfter mit Investmentgesellschaften. Sie stellen Private Equity (also privates Kapital) zur Verfügung und sind oftmals bereit, ein höheres Risiko als die Banken einzugehen und auch Wagniskapital bereitzustellen. Die Investmentgesellschaften können sich das leisten, weil die Risiken anders als beim Bankkredit auf eine Vielzahl von Anlegern verteilt werden. Aber auch bei der Finanzierung über Investmentgesellschaften müssen die mittelständischen Firmen in der Regel dazu bereit sein, Unternehmensanteile an Dritte abzugeben. Hinzu kommt, dass sich viele Investmentgesellschaften ein Mitspracherecht bei den unternehmerischen Entscheidungen sichern. Diese Möglichkeit der Einmischung ist ein Nachteil, den sowohl die Eigenfinanzierung als auch die Bankfinanzierung und die Kredite der Förderbanken nicht mitbringen.

Welches Fazit ergibt sich aus all den Fakten zur Eigenfinanzierung?

Die Eigenfinanzierung von Investitionen ist insgesamt der beste Weg, denn er schaltet zahlreiche Risiken aus. Dazu gehören das Zinsrisiko und die Einräumung von Mitspracherechten. Bei der Eigenfinanzierung sind die Kosten am geringsten, weil die Zinslast und Bearbeitungsgebühren für Kreditanträge genau wie die Risikoabschläge beim Factoring entfallen. Viele Mittelständler sind zur Eigenfinanzierung gezwungen, denn sie erfüllen die mit Basel III und Basel IV etablierten hohen Anforderungen an die Bonität nicht. Außerdem resultiert der Trend zur Eigenfinanzierung aus dem hohen Altersquerschnitt bei den Unternehmensinhabern.

Häufig gibt es keine genauen Regelungen zur Unternehmernachfolge, was die Banken von der Vergabe der Gewerbedarlehen abschreckt. Fördermittel wären eine gute Ergänzung zur Eigenfinanzierung, allerdings sind viele Unternehmen und Maßnahmen nicht förderfähig. Deshalb spielen Förderkredite insgesamt eine untergeordnete Rolle.

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